image: Darstellung der Kieselalge Conticribra weissflogii (rot) und der von ihr abgesonderten Zuckerpolymerstrukturen (blau). view more
Credit: Marlene Reich, 2024
Das Team von Chemikern, Mikrobiologen und Ökologen konzipierte eine molekulare Sonde (ein Molekül zum Nachweis von z. B. Proteinen oder DNA in einem Organismus), die leuchtet, sobald ein Zucker gefressen wird. In der ZeitschriftJACS beschreiben sie nun, wie die Sonde dabei hilft, das mikroskopische Tauziehen zwischen Algen und mikrobiellen Zersetzern im Meer zu untersuchen.
„Zucker sind im Ökosystem Meer allgegenwärtig. Trotzdem ist immer noch nicht klar, ob oder wie Mikroben sie alle abbauen können“, sagt Jan-Hendrik Hehemann vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und dem MARUM -Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, beide in Bremen. „Mit der neuen Sonde können wir das live beobachten“, ergänzt Peter Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung.
Zucker binden Kohlenstoff
Algen binden Kohlendioxid und wandeln es in Sauerstoff und organische Stoffe um. Zucker sind dabei ein wichtiger Bestandteil. Allerdings sind nicht alle Zucker leicht aufzuspalten. Einige sind so komplex, dass die meisten Mikroben sie nur schwer verdauen können. Dadurch sinkt der Kohlenstoff auf den Meeresboden ab, wo er jahrhundertelang verbleibt, bis die richtigen Enzyme auftauchen. Welche Mikroben welche Zucker verdauen, ist vor allem in komplexen Mikrobiomen äußerst schwer zu bestimmen.
Den Zuckerabbau beleuchten
Um dieses Problem zu lösen, setzte das Team auf einen automatisierten Zusammenbau von Glykanen und erzeugte so einen Zucker, der mit zwei Fluoreszenzfarbstoffen markiert war. Diese Farbstoffe reagieren über einen Prozess namens Förster-Resonanz-Energie-Transfer (FRET). Zusammen funktionieren sie wie ein molekularer Schalter. Wenn die Sonde intakt ist, bleibt sie dunkel. Sobald jedoch ein Enzym das Zuckergerüst bricht, leuchtet die Sonde auf. So können die Forschenden sehen, wo und wann der Zucker abgebaut wird. In ihren Experimenten verfolgte das Team den Umsatz von α-Mannan, einem Polysaccharid (einer langen Zuckerkette), das in Algenblüten vorkommt. Die Glykansonde funktionierte in gereinigten Enzymen, bakteriellen Zelllysaten, lebenden Kulturen und auch mikrobiellen Gemeinschaften.
„Diese Forschung ist ein wunderbares Beispiel für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Max-Planck-Instituten. Mit unseren FRET-Glykanen haben wir jetzt ein neues Werkzeug zur Erforschung der Interaktionen zwischen Phytoplankton und Bakterioplankton im Ozean“, sagt Rudolf Amann vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie.
Auf der Spur der verborgenen Zersetzer
Mit der nun bestehenden Möglichkeit, den Umsatz von α-Mannan zu verfolgen, erschließt diese Glykan-Sonde neue Wege zur Untersuchung des mikrobiellen Stoffwechsels, ohne dass dafür genomische Vorkenntnisse erforderlich sind. Forschende können nun aktive Zersetzer in situ ausfindig machen, das Fortschreiten des Glykanabbaus in Raum und Zeit kartieren und die Umsatzraten in komplexen Gemeinschaften quantifizieren. Dieses Werkzeug ebnet den Weg für tiefere Einblicke in den Glykan-Kreislauf in verschiedenen Ökosystemen, von der Algenblüte im Meer bis zum menschlichen Darm. Indem sie beobachten, welche Mikroben unter welchen Bedingungen aktiviert werden, können Forschende spezifische Enzymaktivitäten mit ökologischen Prozessen verknüpfen. So lässt sich der Kohlenstofffluss im Ozean besser verstehen.
„Zucker sind von zentraler Bedeutung für den marinen Kohlenstoffkreislauf“, sagt Erstautor Conor Crawford vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. „Mit dieser FRET-Sonde können wir fragen: Wer isst was, wo und wann?“
Journal
Journal of the American Chemical Society
Article Title
Activity-Based Tracking of Glycan Turnover in Microbiomes
Article Publication Date
8-Jul-2025