image: Three female mountain gorillas in Bwindi Impenetrable National Park, Uganda.
Credit: © Martha Robbins
Auf den Punkt gebracht
- Energiebedarf und sozialer Kontext prägen das Aggressionsverhalten weiblicher Gorillas: Eine 25-jährige Beobachtungsstudie mit weiblichen Gorillas zeigt, dass individuelle Umstände und der soziale Kontext die Entscheidung eines Individuums beeinflussen können, riskantere aggressive Verhaltensweisen an den Tag zu legen.
- Aggression und soziale Hierarchie: Obwohl die meisten Aggressionen erwartungsgemäß von ranghöheren Gorillas gegen rangniedrigere gerichtet waren, richteten sich dennoch 42 Prozent der aggressiven Interaktionen von rangniedrigeren gegen ranghöhere Gorillas – mehr als erwartet.
- Risiken eingehen: Weibliche Gorillas, die sich in einer reproduktiven Phase mit höherem Energiebedarf befanden, zeigten sich gegenüber stärkeren Gruppenmitgliedern aggressiver. Auch die Zusammensetzung der Gruppe – insbesondere die Anzahl der anwesenden Männchen und Weibchen – beeinflusste die Auswahl der Gegner.
Tiere, die in Gruppen leben, konkurrieren oft um Ressourcen wie Nahrung und Fortpflanzungspartner. Dabei bilden sie Hierarchien, die die Rangordnung beim Zugang zu diesen Ressourcen festlegen. Um ihren eigenen Zugang zu Ressourcen zu maximieren und gleichzeitig Kosten wie Energieaufwand und Risiken zu minimieren, müssen Individuen in sozialen Gruppen strategische Entscheidungen darüber treffen, mit wem sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Konkurrenz treten.
„Aggression als Ausdruck von Konkurrenz nimmt tendenziell zu, wenn Bedürfnisse groß und/oder Ressourcen begrenzt sind. In der Regel richtet sie sich gegen rangniedrigere Individuen, kann aber auch gegen ranghöhere gerichtet sein. Selbst innerhalb einer Art sind Unterschiede zu beobachten“, sagt Nikos Smit, Erstautor der Studie und Postdoc am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig sowie an der Universität Turku in Finnland. „In dieser Studie haben wir die Hypothese überprüft, dass diese Unterschiede auf die unterschiedlichen Bedingungen zurückzuführen sind, denen einzelne Tiere ausgesetzt sind. Wir haben festgestellt, dass sowohl die Bedürfnisse eines Individuums als auch sein soziales Umfeld seine Aggression gegenüber Individuen unterschiedlicher Rangordnung prägen, wie es die Risikotheorie prognostiziert."
Daten aus 25 Jahren Verhaltensbeobachtungen
Um die Hypothese zu überprüfen, wertete das Autorenteam über 25 Jahre gesammelte Verhaltensbeobachtungen von insgesamt 31 erwachsenen Gorilla-Weibchen aus fünf freilebenden Gorillagruppen aus: einer Gruppe westlicher Gorillas in Gabun in Zentralafrika und vier Gruppen Berggorillas in Uganda in Ostafrika. Speziell ausgebildete Beobachter zeichneten Verhaltensweisen auf, anhand derer sich Rückschlüsse auf die Hierarchien der Weibchen ziehen ließen. Ein Beispiel hierfür ist das entschlossene Ausweichen (Weggehen von einem sich nähernden Individuum). Zudem ordneten sie jedem Weibchen einen Rang in der Hierarchie zu. Die Beobachter zeichneten auch aggressive Interaktionen zwischen den erwachsenen Weibchen auf und bewerteten jede dieser Interaktionen, um jeweils die Richtung der Aggression zu erfassen und festzustellen, ob sie sich gegen Individuen richtete, die in der Rangordnung über oder unter der Angreiferin standen.
Nach einer Analyse von 6.871 aggressiven Interaktionen kamen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass die meisten Aggressionen von ranghöheren Individuen gegen rangniedrigere gerichtet waren. Dies steht im Einklang mit der Annahme, dass ranghöhere Individuen Aggressionen häufig einsetzen, um ihren Status zu festigen. Der Anteil aggressiver Interaktionen von rangniedrigeren zu ranghöheren Individuen lag bei 42 Prozent und war damit zwar geringer, aber immer noch höher als bei vielen anderen Tierarten.
Weibliche Gorillas gehen Risiken ein, um Energiebedarf zu decken und Schutz zu erlangen
Im Vergleich zu anderen Weibchen zeigten trächtige und säugende Weibchen Aggressionen gegenüber stärkeren Gruppenmitgliedern. Dies dürfte auf ihren erhöhten Energiebedarf zurückzuführen sein. Obwohl säugende Weibchen möglicherweise einen noch höheren Energiebedarf haben als trächtige, griffen sie in der Regel schwächere Gruppenmitglieder an als trächtige Weibchen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass säugende Weibchen Risiken eingehen müssen, um ihren erhöhten Bedarf zu decken, diese Risiken jedoch möglicherweise einschränken, um ihre Jungtiere zu schützen.
Die Forschenden stellten darüber hinaus fest, dass weibliche Gorillas, wenn hauptsächlich Männchen in der Gruppe waren, mehr Aggressionen gegen stärkere, ranghöhere Weibchen richteten. Dies deutet darauf hin, dass der Schutz durch die Männchen ein Umfeld schafft, in dem die Weibchen größere Risiken eingehen. Umgekehrt richteten die Weibchen mehr Aggressionen gegen rangniedrigere, weniger starke Weibchen, wenn hauptsächlich Weibchen in der Gruppe waren. Dies deutet darauf hin, dass sie es vorziehen, schwächere Gegner anzugreifen, wenn sie die Wahl haben. Zusammengefasst bestätigen diese Ergebnisse, dass Gorillas ihre Aggressionen an ihren sozialen Kontext anpassen können.
„Insgesamt bestätigen unsere Ergebnisse, dass die Umstände und das soziale Umfeld eines Individuums dessen Entscheidung beeinflussen können, riskantere Verhaltensweisen, wie etwa Aggression gegenüber stärkeren Gruppenmitgliedern, an den Tag zu legen“, fasst Martha Robbins, leitende Autorin und Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, zusammen.
Journal
eLife
Article Title
Risk-taking incentives predict aggression heuristics in female gorillas
Article Publication Date
23-Jul-2025