image: Española Cove with the Spanish Juan Carlos I Station. Here, researchers from Leipzig took filter samples during the Spanish PI-ICE expedition in the southern summer of 2018/19, which were used in the analysis of ice nuclei over Antarctica.
Credit: Sebastian Zeppenfeld, TROPOS
Leipzig. Über den großen Eisflächen der Antarktis gibt es so wenig Eiskeime in der Luft wie an keinem anderen Ort der Welt. Das schließt ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) aus Filtermessungen von Wolkenpartikeln an drei Stellen in der Antarktis. Sie sind die ersten dieser Art auf dem Kontinent. Die jetzt veröffentlichten Daten füllen eine Wissenslücke und könnten den großen Anteil an unterkühltem Flüssigwasser in den Wolken der Südpolarregion erklären. Wolken, die aus flüssigen Wassertropfen bestehen, reflektieren das Sonnenlicht stärker als Wolken mit Eiskristallen. Weniger Eiskeime und weniger Eis in den Wolken könnten dazu beitragen, dass sich die Südhemisphäre nicht so stark erwärmt wie die Nordhemisphäre, schreiben die Forschenden im Fachjournal Geophysical Research Letters.
Dass die Wolken über dem Südlichen Ozean rund um die Antarktis mehr Wasser und weniger Eis enthalten als vergleichbare Wolken in der Nordhemisphäre, ist seit langem bekannt. Ohne Details zu den Ursachen und Messreihen können die Klimamodelle, die auf Daten aus der Nordhemisphäre beruhen, jedoch nicht angepasst werden. Die Messungen von Eiskeimen liefern dazu nun ein wichtiges Detail. Weitere Daten werden die Flüge des deutschen Forschungsflugzeugs HALO liefern, dessen Mission HALO-South Mitte Oktober in Neuseeland zu Ende ging, sowie eine Reihe von Antarktis-Expeditionen, die für 2026-2030 im Rahmen des großen internationalen Forschungsprojektes „Antarctica InSync“ geplant sind.
Wolken bilden nach wie vor die größten Unsicherheiten in den Klimamodellen. Einen großen Anteil daran hat Eis in den Wolken, denn Eisbildungsprozesse beeinflussen die Strahlungseigenschaften, die Niederschlagsbildung und folglich die Lebensdauer von Wolken. Die Eisbildung wird durch sogenannte eiskeimbildende Partikel (eng. Ice Nucleating Particles, INPs) ermöglicht. Dabei wirken INPs wie Katalysatoren, denn ohne diese Partikel gefrieren Wolkentropfen erst unter -38°C. Besonders über dem Südlichen Ozean rund um die Antarktis, wo die Konzentrationen an Eiskeimen in der sauberen Atmosphäre niedrig sind, wurden große Unterschiede bei den Strahlungseffekten zwischen Modellen und Messungen festgestellt. Aus diesem Grund sind Eiskeime in den Fokus der Wolkenforschung gerückt.
Global betrachtet stellen Partikel aus Mineralstaub bei niedrigen Temperaturen den größten Teil der Eiskeime. Bei höheren Temperaturen dagegen sind die Eiskeime meist biologischen Ursprungs und enthalten Proteine oder Polysaccharide. Da im Sommer mehr biologische Aktivität herrscht als im Winter lässt sich dadurch in vielen Regionen ein klarer Jahresgang mit einem Maximum im Sommer und Minimum im Winter verzeichnen. Diese jahreszeitlichen Schwankungen konnten Forschende selbst in der Arktis beobachten - nicht aber in der Antarktis.
Zur Antarktis dagegen gab es bisher keine soliden Daten. Für die jetzt veröffentlichte Studie wurden Aerosolpartikel per Filter in der Antarktis gesammelt, bei -20°C gelagert und schließlich im Labor vom TROPOS in Leipzig auf Eiskeime untersucht. Dazu nutzen die Forschenden mit LINA (Leipzig Ice Nucleation Array) und INDA (Ice Nucleation Droplet Array) zwei Geräte, die die Anzahl der Eiskeime in der Atmosphäre bei unterschiedlichen Temperaturen optisch zählen. Durch die standardisierte Methode lässt sich so herausfinden, an welchen Orten mehr Eiskeime in der Atmosphäre schweben und an welchen Orten weniger.
Die meisten der dabei untersuchten Proben stammten von der deutschen Antarktis-Station Neumayer III wo zwischen Dezember 2019 und 2021 Daten aus zwei kompletten Jahren erhalten werden konnten. Neumayer III steht auf dem Eckström-Schelfeis und ist etwa 20 Kilometer vom Eisrand entfernt. Die dort erhaltene Zeitreihe ist bisher einmalig und durch Messungen im Südwinter besonders wertvoll. Ebenfalls analysieren konnten die Forschenden Filterproben, die während der Südsommer 2020/21 und 2021/22 an der Belgischen Antarktis-Station Princess Elisabeth genommen wurden, die auf einem Gebirgszug auf etwa 1400m Höhe und 200 Kilometer vom Meer entfernt steht. In die Analyse flossen zudem Filterproben von der spanischen Expedition PI-ICE ein, die während des Südsommers 2018/19 die Atmosphäre über der Antarktischen Halbinsel und der spanischen Antarktis-Station Juan Carlos I auf Livingston Island untersucht hatte. „Unseres Wissens nach gab es auf dem Antarktischen Festland noch nie eine so lange Zeitreihe von Filtern, aus denen INPs bestimmt wurden. 2023 haben chinesische Forschende auf einer Schlittentour Schneeproben gesammelt, die aber nur indirekt Rückschlüsse auf die Eiskeime zulassen. Unsere direkten und zeitlich ausgedehnten Messungen sind daher ein Novum für den Kontinent Antarktis“, ordnet Dr. Heike Wex vom TROPOS die Bedeutung der Studie ein.
Die Anzahl der Eiskeime über dem Meer an der Antarktischen Halbinsel war vergleichbar mit früheren Messungen an anderen Stellen des Südlichen Ozeans. Aber die beiden Antarktis-Stationen Neumayer III und Princess Elisabeth zeigten so niedrige Werte wie nie zuvor gemessen. Besonders markant an den 24monatigen Messungen von der deutschen Antarktis-Station Neumayer III war: Weder zeigten sich jahreszeitliche Schwankungen in der Anzahl der Eiskeime, noch hitze-empfindliche Eiskeime in den Proben. „Dies deutet generell auf sehr wenige biogene proteinhaltige Eiskeime hin, was wahrscheinlich mit wenig biologischer Aktivität auf dem antarktischen Kontinent zusammenhängt, die - wenn überhaupt - dann nur im Sommer in Küstennähe zu finden ist“, erklärt Dr. Heike Wex. Da die Antarktis mangels Staubquellen und biologischer Aktivität wenig Eiskeime in die Atmosphäre abgibt, ist auch die Anzahl der Eiskeime über dem Südlichen Ozean um die Antarktis relativ niedrig. Dies könnte den großen Anteil an unterkühlten Tropfen in den Wolken dort erklären, die mangels Eiskeimen flüssig bleiben und nicht vereisen. Der Anteil von Wasser und Eis in den Wolken wiederum beeinflusst die Strahlungseigenschaften und könnte dazu beitragen, dass sich die Südliche Hemisphäre weniger stark erwärmt als die Nördliche Hemisphäre.
„Unsere Ergebnisse liefern wichtige Daten, die dazu beitragen können, das Verständnis und damit auch die globalen Klimamodelle zu verbessern. Darüber hinaus könnte die Konzentration von Eiskeimen in der Antarktis aufgrund der Klimaerwärmung zunehmen, da zurückgehende Gletscher mehr Land für Vegetation freigeben und die Biosphäre aktiver werden könnte. Daher kann die Ermittlung des aktuellen Zustands hilfreich sein, um die potenziellen Auswirkungen künftiger Veränderungen zu bewerten“, berichtet Dr. Silvia Henning vom TROPOS. Aus den Messwerten an Neumayer III konnte das Team eine Parameterisierung ableiten, mit dem sich die Eiskeime an Princess Elisabeth vorhersagen ließen und der damit zumindest für diesen Teil der Antarktis für Modellierungen genutzt werden kann. Ob dies auch für andere Regionen des Kontinents Antarktika gilt, sollen künftige Untersuchungen 2027-2030 im Rahmen des großen internationalen Forschungsprojektes „Antarctica InSync“ zeigen.
Tilo Arnhold
Journal
Geophysical Research Letters
Method of Research
Observational study
Subject of Research
Not applicable
Article Title
Antarctica's Unique Atmosphere: Really Low INP Concentrations
Article Publication Date
13-Oct-2025
COI Statement
The authors declare no conflicts of interest relevant to this study.