News Release

Die Entstehung von Kooperation

Wissenschafter_innen am IST Austria beschreiben mathematisch, wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu helfen und einen guten Ruf zu haben

Peer-Reviewed Publication

Institute of Science and Technology Austria

Illustration of direct and indirect reciprocity

image: Direct reciprocity: First, Blue helps Red. In the next evolutionary step in the simulation, Red remembers that and now in turn helps Blue. Indirect reciprocity: First, Blue helps Violet and Red is observing. In the next evolutionary step, Red knows about the good reputation of Blue and now helps them too. view more 

Credit: Laura Schmid

Kooperation als erfolgreiche Strategie hat sich sowohl in der Natur als auch in der menschlichen Gesellschaft entwickelt, aber ihre Evolution zu verstehen, kann enorm schwierig sein. Forscher_innen müssen die Interaktionen zwischen Individuen in mathematische Formeln gießen, um mit Modellen Vorhersagen und Simulationen erstellen zu können.

Im Forschungsfeld der evolutionären Spieltheorie untersuchen sie oft Strategien von Spieler_innen in einem einfachen Spiel bei dem Werte in Form von Zahlenbeträgen ausgetauscht werden. Solche Strategien bestimmen, wie sich Spieler_innen in einer bestimmten Interaktion verhalten. Die Ergebnisse der Wissenschafter_innen widersprechen dem Narrativ, dass nur die Stärksten und Egoistischsten erfolgreich sind. Stattdessen zeigen sie, wie Kooperation eine erfolgreiche und stabile Strategie sein kann.

Die Forscher_innen, geleitet von Laura Schmid aus der Chatterjee Gruppe am IST Austria, haben ein neues mathematisches Modell geschaffen, das bisher unvereinbare Beschreibungen von Kooperation kombiniert. In ihren Simulationen von vielen Interaktionen zwischen Spieler_innen zeigen sie, wie frühere Erfahrungen mit und die Reputation von potenziellen Partner_innen die Bereitschaft von Spieler_innen zur Kooperation beeinflussen.

Gewaschene Hände und ein guter Ruf

Das zentrale Konzept in der Arbeit der Forscher_innen sind Interaktionen, die auf direkter und indirekter Wechselseitigkeit beruhen. "Eine Interaktion, die auf direkter Wechselseitigkeit beruht, bedeutet einfach 'Eine Hand wäscht die andere'", erklärt Laura Schmid. "Sie kommt sowohl Menschen als auch bei verschiedenen Tierarten vor."

Indirekte Wechselseitigkeit hingegen basiert auf dem Ruf eines Individuums. "Das heißt, wenn ich mich anderen gegenüber gut verhalte, wird man mit mir kooperieren, auch wenn meine Partner_in vorher noch nicht mit mir interagiert hat", so Schmid weiter. "Das ist bisher nur beim Menschen schlüssig nachgewiesen worden."

Wenn diese beiden Arten der Wechselseitigkeit zu konkurrierenden Vorschlägen führen, ist es nicht einfach eine Entscheidung zu treffen. Sollen die Spieler_innen mit einer Person kooperieren, die sich anderen gegenüber gut verhält, auch wenn sie sie in der Vergangenheit ungerecht behandelt hat? Die von den Spieler_innen benutzten Strategien beantworten diese Frage.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem neuen vereinheitlichten Modell war, dass die Evolution der Strategien, das Ausmaß der Kooperation, sowie die Vorliebe für eine Art der Wechselseitigkeit von den Umgebungsfaktoren abhängen. Diese umfassen sowohl der Häufigkeit, mit der Spieler_innen interagieren, als auch, ob sie die Wahrheit über den Ruf ihrer Partner_innen kennen.

Stabilisierte Kooperation

Dieses Modell kann Forscher_innen helfen, die grundlegenden Dynamiken der Entwicklung und Stabilität von kooperative Strategien zu verstehen. "Mit erst kürzlich entwickelten mathematischen Werkzeugen haben wir untersucht, welche Strategien der direkten oder indirekten Wechselseitigkeit zu einem Nash-Gleichgewicht führen", erklärt Schmid. "Sobald die sich entwickelnde Population von Spieler_innen in unserer Simulation solche Strategien annimmt, hat keine Spieler_in mehr einen Anreiz, davon abzuweichen."

Diese Ergebnisse könnten helfen zu erklären, wie die Entwicklung von Kooperation in frühen menschlichen Gesellschaften durch auf Erfahrung und Reputation basierende soziale Normen beeinflusst wurde. Eine andere Anwendung wäre die Modellierung von Bewertungssystemen in Online-Shops, die sowohl auf der persönlichen Erfahrung von Käufer_innen als auch auf dem Ruf der Verkäufer_innen basieren.

Verschiedenen Gebieten wie Spieltheorie und evolutionären Modellierung zu verbinden, ist für Laura Schmid schon seit längerer Zeit ein Thema. Aufgewachsen in Wien, studierte sie zunächst Physik an der TU Wien sowie Klavier an der Musik- und Kunstuniversität der Stadt Wien, bevor sie sich der Chatterjee Gruppe am IST Austria für ihren PhD anschloss. Nach ihrem Abschluss im Laufe dieses Jahres plant sie, ihre Forschungskarriere im Ausland fortzusetzen.

In ihrer zukünftigen Arbeit möchte Laura Schmid untersuchen, wie viele Spieler_innen in einer Gruppe eine Strategie, die auf indirekter Wechselseitigkeit beruht, verwenden müssen, damit sie erfolgreich ist. Damit wird sie den Effekt der Verbreitung von sozialen Normen innerhalb einer Gesellschaft untersuchen können.

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