News Release

Social Distancing Maßnahmen im Frühjahr 2020 haben COVID-19 in Deutschland effektiv eingedämmt

Peer-Reviewed Publication

University of Cologne

Die Mitte März 2020 beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben in den folgenden drei Wochen sowohl die Mobilität der Bevölkerung stark reduziert als auch die Ausbreitung von COVID-19 effektiv begrenzt. Das zeigt die aktuelle Studie eines internationalen Teams von Wirtschaftswissenschaftlern um Juniorprofessor Dr. Emanuel Hansen von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln und Professor Dr. Ulrich Glogowsky von der Johannes Kepler Universität Linz. Die Ergebnisse belegen, wie wichtig die frühen politischen Maßnahmen für den weiteren Verlauf der Coronapandemie in Deutschland waren. Die Studie ist im interdisziplinären Open-Access Journal PLoS ONE erschienen.
Im Frühjahr 2020 breitete sich die COVID-19-Pandemie schnell in Europa aus. Nach anfänglichem Zögern beschlossen die Bundesregierung und die Ministerpräsidentenkonferenz Mitte März in kurzer Folge eine Reihe von Maßnahmen zur Beschränkung sozialer Kontakte, darunter die Schließung von Schulen, Kindergärten und Geschäften. Auch private Treffen von Personen aus verschiedenen Haushalten wurden weitgehend verboten. Die deutsche Politik setzte damit schnelle und weitreichende Kontaktbeschränkungen um. In der Frühphase der ersten Welle wurde noch keine Maskenpflicht eingeführt. Es standen weder Impfungen noch Schnelltests zur Verfügung. Innerhalb weniger Wochen nahmen die Ansteckungen mit COVID-19 in Deutschland stark ab, bis die Kontaktbegrenzungen ab dem 20. April 2020 wieder allmählich gelockert wurden.
Trotz der schnellen Abnahme der Infektionen in Deutschland wurde die Wirksamkeit der Kontaktbeschränkungen sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Fachkreisen immer wieder bezweifelt. Insbesondere wurde argumentiert, dass die Ausbreitung auch ohne Maßnahmen durch automatische Verhaltensänderungen der Bürger gebremst worden wäre. 
Um diese kontroverse Frage zu beantworten, schätzte das Autorenteam um Juniorprofessor Dr. Emanuel Hansen den kausalen Effekt der politischen Maßnahmen mit Hilfe detaillierter Zahlen des Robert Koch-Instituts sowie anonymisierter Bewegungsdaten von privaten Mobilfunkanbietern aus den über 400 deutschen Kreisen in einem quasi-experimentellen Analyseverfahren. Dieses Verfahren nutzt aus, dass die ersten COVID-19 Infektionen in manchen Kreisen vor Beginn der Kontaktbeschränkungen auftraten, in anderen Kreisen dagegen erst deutlich später. Durch den Vergleich von Kreisen mit frühen und späten COVID-Ausbrüchen konnten die Forscher schätzen, wie sich das Verhalten der Bürger:innen und das Infektionsgeschehen in Deutschland ohne die Social Distancing Maßnahmen entwickelt hätten. Der kausale Effekt der Maßnahmen entspricht somit dem Unterschied zwischen der hypothetischen Entwicklung ohne Social Distancing und der tatsächlichen Entwicklung mit Kontaktbeschränkungen.
Unter Verwendung dieser Schätzmethode kamen die Autoren zu den folgenden Ergebnissen: Im ersten Schritt stellten sie mit Hilfe der Mobilfunkdaten fest, dass die politischen Maßnahmen die räumlichen Bewegungen der Menschen wie gewünscht um durchschnittlich 30 Prozent reduzierten. Im zweiten Schritt fanden sie Evidenz für eine effektive Eindämmung des pandemischen Geschehens: Schon innerhalb der ersten drei Wochen konnten durch die Kontaktbeschränkungen in Deutschland über 80 Prozent der COVID-Infektionen und über 60 Prozent der entsprechenden Todesfälle vermieden werden, die es ohne die Maßnahmen gegeben hätte. Anders ausgedrückt, hätte es nach den Schätzungen der Forscher in Deutschland ohne die Maßnahmen alleine bis Anfang April etwa 500.000 zusätzliche Ansteckungen und etwa 5.400 zusätzliche Todesfälle gegeben. Weitere Analysen zeigen, dass die Kontaktbeschränkungen das Infektionsgeschehen in allen Gruppen der Bevölkerung stark gebremst haben. Dabei konnte allerdings in der Altersgruppe über 60 Jahren nur eine etwas schwächere Eindämmung erreicht werden als bei jüngeren Menschen. Die Autoren vermuten, dass insbesondere die Schließungen von Kitas und Schulen einen direkteren und stärkeren Effekt auf Kinder und deren Eltern hatten als auf die Generation der Großeltern. 
„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die frühen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in Deutschland erfolgreich waren – entgegen wiederholter anderslautender Behauptungen in Teilen der Öffentlichkeit“, sagt Hansen. „Ohne diese Kontaktbeschränkungen wäre es wohl auch in Deutschland – wie in anderen europäischen Ländern – zu einer Überlastung des Gesundheitssystems gekommen.“ Da in der Frühphase der Pandemie keine anderen Instrumente wie Impfungen oder Schnelltests zur Verfügung standen, habe es trotz der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten von Schul- und Geschäftsschließungen keine sinnvolle Alternative gegeben. Zu den Effekten der politischen Maßnahmen in späteren Wellen der COVID-19-Pandemie kann die Studie keine Aussagen machen. 
Juniorprofessor Dr. Emanuel Hansen ist Mitglied der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, des Center for Macroeconomic Research (CMR) und des Center for Social and Economic Behavior (C-SEB) der Universität zu Köln.
 


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