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Wissenschaftler schlagen rigorosen Validitätsrahmen für Hirnorganoid-Krankheitsmodelle vor

Neue Perspektive zeigt auf, wie Stammzellmodelle die Lücke zwischen Laborentdeckungen und klinischen Behandlungen für neuropsychiatrische Störungen besser überbrücken können

Peer-Reviewed Publication

Genomic Press

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Interdependency of construct, face, and predictive validity. Construct, face, and predictive validity are highly interdependent. Depending on the available information, a model system can be built starting at any of the three validities.

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Credit: Nael Nadif Kasri

NIMWEGEN, Niederlande, 15. Juli 2025 – In einem umfassenden Perspektivenartikel (Review) von Genomic Press hat ein internationales Team von Neurowissenschaftlern entscheidende Validitätsstandards skizziert, die transformieren könnten, wie Forscher Stammzelltechnologie zur Untersuchung verheerender Hirnerkrankungen einsetzen. Der Rahmen adressiert eine kritische Lücke bei der Übersetzung von Laborentdeckungen in wirksame Behandlungen für neuropsychiatrische Erkrankungen, die weltweit Milliarden betreffen.

Die Translationskrise bewältigen

Neuropsychiatrische Störungen stellen eine der größten Herausforderungen der Medizin dar und betreffen weltweit über 3 Milliarden Menschen, während sie das soziale, wirtschaftliche und persönliche Wohlbefinden tiefgreifend beeinflussen. Trotz bedeutender Fortschritte bei der Aufdeckung genetischer Ursachen durch groß angelegte Sequenzierungsbemühungen bleibt der Weg von der genetischen Entdeckung zur klinischen Anwendung frustrierend schwer fassbar. Diese Translationslücke hat Patienten auf Präzisionsmedizinansätze warten lassen, die Behandlungsergebnisse transformieren könnten.

Die neue Perspektive, geleitet von Dr. Nael Nadif Kasri am Radboud University Medical Center, schlägt vor, dass die Technologie induzierter pluripotenter Stammzellen (iPSC) beispiellose Möglichkeiten bietet, diese Kluft zu überbrücken. Diese revolutionären Zellmodelle ermöglichen es Wissenschaftlern, menschliche Gehirnzellen und sogar miniaturisierte Hirnorganoide aus Haut- oder Blutproben von Patienten zu züchten und dabei die exakte genetische Zusammensetzung von Personen mit neuropsychiatrischen Erkrankungen zu erfassen.

„Aus humanen iPSC abgeleitete zweidimensionale Neuronen und Glia sowie dreidimensionale Organoide rekapitulieren Schlüsselaspekte der Gehirnentwicklung und zellulärer Funktionen", erklären die Autoren und heben hervor, wie diese Modelle die Krankheitsuntersuchung auf genetisch relevanten Hintergründen ermöglichen. Was diesen Ansatz von früheren Bemühungen unterscheidet, ist die systematische Anwendung von Validitätskriterien, die traditionell für Tiermodelle verwendet werden, nun speziell für menschliche Zellsysteme angepasst.

Drei Säulen der Modellvalidität

Der Rahmen ruht auf drei miteinander verbundenen Validitätstypen, die Forscher bei der Entwicklung von iPSC-Modellen berücksichtigen müssen. Die Konstruktvalidität stellt sicher, dass das Modell angemessene genetische Veränderungen und relevante Zelltypen enthält. Für monogene Störungen wie das Timothy-Syndrom oder das Rett-Syndrom bedeutet dies, krankheitsverursachende Mutationen im richtigen zellulären Kontext einzuschließen. Die Herausforderung intensiviert sich jedoch bei polygenen Erkrankungen wie Schizophrenie, wo Tausende genetischer Varianten zum Krankheitsrisiko beitragen.

Die Augenscheinvalidität befasst sich damit, ob iPSC-Modelle Merkmale aufweisen, die der menschlichen Erkrankung ähneln. Da Verhaltenssymptome die meisten psychiatrischen Störungen definieren, müssen Forscher molekulare und zelluläre Merkmale identifizieren, die mit klinischen Manifestationen korrelieren. Die Autoren heben innovative Ansätze hervor, wie die Verwendung von Mikroelektroden-Arrays zur Messung neuronaler Aktivitätsmuster, die bei Patienten beobachtete Elektroenzephalographie-Anomalien widerspiegeln. Könnten diese elektrischen Signaturen als übertragbare Biomarker dienen, die zelluläre Dysfunktion mit klinischen Symptomen verknüpfen?

Die prädiktive Validität stellt vielleicht das klinisch relevanteste Kriterium dar und konzentriert sich darauf, ob Modelle Patientenbehandlungsreaktionen genau vorhersagen. Die Perspektive zeigt überzeugende Beispiele, bei denen von iPSC abgeleitete Neuronen von Lithium-responsiven und nicht-responsiven Patienten mit bipolarer Störung differentielle Medikamenteneffekte zeigten, die mit klinischen Ergebnissen übereinstimmten. Dieser personalisierte Ansatz wirft faszinierende Möglichkeiten für die Präzisionspsychiatrie auf. Könnten zukünftige Patienten maßgeschneiderte Behandlungsempfehlungen erhalten, die auf ihren eigenen zellulären Reaktionen basieren, die in Laborschalen getestet wurden?

Technische Hürden überwinden

Die Erstellung valider iPSC-Modelle stellt zahlreiche technische Herausforderungen dar, die Forscher sorgfältig navigieren müssen. Genomische Instabilität während der Reprogrammierung kann unerwünschte Mutationen einführen und möglicherweise die Ergebnisse verfälschen. Die Autoren betonen regelmäßige Bewertungen der genomischen Integrität, um sicherzustellen, dass Modelle repräsentativ für die Patientengenetik bleiben. Zusätzlich erweist sich die Auswahl geeigneter Zelltypen als entscheidend, aber komplex, insbesondere bei Störungen, die mehrere Hirnregionen und zelluläre Interaktionen betreffen.

Das Entwicklungsstadium der iPSC-Modelle stellt eine weitere Überlegung dar. Aktuelle Protokolle erzeugen Zellen, die fetalem Hirngewebe aus dem ersten und zweiten Trimester ähneln, was Fragen zur Modellierung von Störungen aufwirft, die sich später im Leben manifestieren. Wie können Forscher Krankheitsprozesse erfassen, die sich über Jahrzehnte entwickeln, innerhalb von Zellsystemen, die die frühe Entwicklung widerspiegeln? Diese zeitliche Diskrepanz erfordert kreative Lösungen und sorgfältige Interpretation der Ergebnisse.

Innovative Validierungsansätze

Die Perspektive hebt bahnbrechende Studien hervor, die eine erfolgreiche Modellvalidierung über alle drei Kriterien hinweg demonstrieren. Die Forschung zum 22q11.2-Deletionssyndrom veranschaulicht diesen umfassenden Ansatz, indem Patientenhirnbildgebungsdaten mit von iPSC abgeleiteten dopaminergen Neuronen kombiniert werden, um einen veränderten Dopaminstoffwechsel aufzudecken, der genetische Veränderungen mit Schizophrenierisiko verknüpft. Eine solche mehrstufige Validierung stärkt das Vertrauen in die Modellrelevanz.

Hirnorganoide bieten besonders aufregende Möglichkeiten zur Erfassung komplexer zellulärer Interaktionen. Studien haben gezeigt, dass diese dreidimensionalen Kulturen oszillatorische Muster entwickeln, die neonatalen Elektroenzephalographie-Aufzeichnungen ähneln und ein Fenster zu Dysfunktionen auf Netzwerkebene bieten. Als Organoide von Rett-Syndrom-Patienten epileptiforme Aktivität zeigten, die auf therapeutische Verbindungen reagierte, demonstrierte dies das Potenzial für die Medikamentenentdeckung unter Verwendung validierter menschlicher Modelle.

Zukünftige Richtungen und Implikationen

Der vorgeschlagene Validitätsrahmen kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt für die neuropsychiatrische Forschung. Mit der Reifung der iPSC-Technologie werden standardisierte Validierungskriterien wesentlich, um reproduzierbare, übertragbare Ergebnisse zu gewährleisten. Die Autoren schlagen vor, die Modellentwicklung von jeder Validitätssäule aus zu beginnen, abhängig von den verfügbaren Informationen. Bekannte Medikamentenresponder bieten Einstiegspunkte für prädiktive Validität, während genetische Entdeckungen Konstruktvaliditätsansätze ermöglichen.

Mehrere Fragen entstehen für das Feld zur Bearbeitung. Wie könnten Forscher Umweltfaktoren einbeziehen, die mit genetischer Prädisposition in diesen Modellen interagieren? Könnten Kombinationen verschiedener Validitätsbewertungen zusammengesetzte Scores für die Modellqualität erstellen? Welche Rolle könnte künstliche Intelligenz bei der Identifizierung subtiler Phänotypen spielen, die zelluläre Dysfunktion mit klinischen Ergebnissen verknüpfen?

Der Rahmen hebt auch Möglichkeiten zur Untersuchung seltener Varianten und personalisierter Medizinansätze hervor. Da jeder Patient potenziell einzigartige genetische Kombinationen beherbergt, bieten iPSC-Modelle Plattformen zum Testen individualisierter therapeutischer Strategien. Diese Fähigkeit wird besonders wertvoll für behandlungsresistente Fälle, bei denen Standardansätze versagen.

Therapeutische Entwicklung transformieren

Über die Verbesserung des Krankheitsverständnisses hinaus könnten validierte iPSC-Modelle die Medikamentenentwicklungspipelines revolutionieren. Traditionelle psychiatrische Medikamente zeigen begrenzte Fortschritte gegenüber Behandlungen, die vor Jahrzehnten eingeführt wurden. Menschliche Zellmodelle, die strenge Validitätsstandards erfüllen, könnten neue therapeutische Ziele identifizieren und individuelle Behandlungsreaktionen vor klinischen Studien vorhersagen.

Die Integration mehrerer Validierungsansätze stärkt die Modellzuverlässigkeit. Die Kombination elektrophysiologischer Aufzeichnungen, molekularer Profile und Medikamentenreaktionsdaten schafft umfassende Bilder der Krankheitsmechanismen. Während Forscher Bibliotheken validierter Modelle über verschiedene genetische Hintergründe aufbauen, können Muster entstehen, die konvergente Wege aufdecken, die für therapeutische Interventionen zugänglich sind.

Kollaborative Netzwerke aufbauen

Die Implementierung dieser Validitätsstandards erfordert Zusammenarbeit über Disziplinen und Institutionen hinweg. Die Autoren betonen enge Partnerschaften mit Klinikern, die entscheidende Patientendaten und Behandlungsgeschichten liefern. Standardisierte Protokolle und Datenaustausch werden den Fortschritt zu klinisch relevanten Modellen beschleunigen. Internationale Konsortien könnten Modellrepositorien mit detaillierten Validierungsdaten etablieren, die es Forschern weltweit ermöglichen, auf charakterisierte Systeme zuzugreifen.

Die Perspektive unterstreicht, wie technologische Fortschritte weiterhin die Möglichkeiten erweitern. Einzelzellsequenzierung enthüllt zelluläre Heterogenität innerhalb von Modellen, während fortgeschrittene Bildgebung dynamische Prozesse in lebenden Organoiden erfasst. Diese Werkzeuge, kombiniert mit rigoroser Validitätsbewertung, positionieren das Feld für bahnbrechende Entdeckungen.

Da neuropsychiatrische Störungen weiterhin Milliarden weltweit betreffen, intensiviert sich der Bedarf an besseren Modellen und Behandlungen. Dieser umfassende Validitätsrahmen bietet einen Fahrplan für die Entwicklung von iPSC-Modellen, die wirklich die Krankheitsbiologie erfassen und therapeutische Ergebnisse vorhersagen. Durch die Etablierung klarer Standards und die Förderung systematischer Validierung kommen Forscher der Verwirklichung des Versprechens der Präzisionspsychiatrie näher, bei der Behandlungen eher der individuellen Patientenbiologie als nur diagnostischen Kategorien entsprechen.

Der Artikel in Genomic Psychiatry mit dem Titel „Establishing validity standards for iPSC modeling of neuropsychiatric disorders" ist am 15. Juli 2025 in Genomic Psychiatry über Open Access unter folgendem Hyperlink frei verfügbar: https://doi.org/10.61373/gp025p.0074.

Über Genomic Psychiatry: Genomic Psychiatry: Advancing Science from Genes to Society (ISSN: 2997-2388, online und 2997-254X, gedruckt) stellt einen Paradigmenwechsel in Genetikzeitschriften dar, indem Fortschritte in Genomik und Genetik mit Fortschritten in allen anderen Bereichen der zeitgenössischen Psychiatrie verwoben werden. Genomic Psychiatry veröffentlicht hochwertige medizinische Forschungsartikel höchster Qualität aus jedem Bereich innerhalb des Kontinuums, das von Genen und Molekülen über Neurowissenschaften, klinische Psychiatrie bis hin zur öffentlichen Gesundheit reicht.

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